Weihnachtsmärchen Zweiter Teil

Erwin allein in Hamburg

(Knapp einer Polizeirazzia entkommen, muss Erwin sich allein durchschlagen)

Erwin lässt sich Zeit. Den Weg in die Innenstadt kennt er, da hat er beim Busfahren aufgepasst. Belebte und vielbefahrene Straßen meidet er. Zum ersten Mal kann er die Stadt riechen. Viele Hunde hier. Die Menschen bemerken ihn nicht einmal - die schauen alle auf irgendwas in ihrer Hand.

Große Häuser, vorne immer ein hoher Zaun.


Na, mein Süßer...“ circt eine Damenstimme (Bariton), „ganz allein unterwegs? Ohne Halsband? Na, das ist doch...“. Sie greift zu ihrem Telefon und öffnet die Gartenpforte: „Tststs.. nakommaher, mein Süßer, Mutti hat was Feines für dich...“.

 

Erwin guckt skeptisch - das mit dem Telefon will ihm nicht gefallen.

Die ruft doch wohl kaum den Pizzaservice... Nix wie wech!“

und ab in die kleine Seitenstraße - und dann durchs Gebüsch.


Wer verbrennt denn da Holz?“. Er steht vor einem brüchigen Brettertor und linst aufs Gelände. Viele Hunde, Lagerfeuer, bunte, hölzerne Waggons, bunte Leute. Das kennt er von zu Hause, und schon ist er durchs Tor, darauf vertrauend, dass seine Artgenossen hier freundlicher und höflicher zu sein pflegen.


Die Menschen beachten ihn nicht, ihr Duft ist ihm wohlbekannt: Alkohol sowie die Abwesenheit von Waschmittel und Seife.

Angenehm.


Nachher gibts Bratwurst und Kartoffelsalat aus dem Eimer“

klärt ihn eine etwas schnippische Border-Collie-Hündin mit verschiedenfarbigen Augen auf.

Sie hat punkig-pinkige Strähnchen im Fell.


- „Ich bin übrigens Miss Pink. Dann haben wir noch Miss Orange,

   Mr.Brown, Mr.White, Miss Blonde und Eddie“.

 

Erwin erzählt seine Geschichte.


- „Mein lieber Schwan...“ stöhnt Mr.Brown, ein Pinscher mit wirr in die

Stirn fallenden Haaren, „da haste nochma Schwein gehabt... die Alte

   wollte bestimmt inner Süderstraße anrufen...“

 

- “?“

 

- „Tierheim, Mensch - nie sollst du mich befragen... “ - offensichtlich

    Wagner-Fan, der Mr.Brown: „als erstes schneiden sie dir da die

    Eier ab!“.

 

- “!“ *

 

- „Da sitzte hinter Gittern - und ich kenn niemanden, der da wieda

 

    rausgekommen is!“ wirft Miss Blonde ein, eine ältere 

   Schäferhündin mit Rubens-Figur.

 

- „Ischa man auch kein Wunder!“ erregt sich Miss Orange, „wasde da

    an Papierkram erledigen musst, ehse son Viech freilassen: Kinder 

    kannste so kriegen, aber für den Hund muss deine Wohnung über

    soundsoviel Quadratmeter verfügen... neenee...geh mir...“

 

- „Und dann spaziern se da noch alle in soner Art Uniform ‘rum“ 

    bemerkt Miss Pink spitz.


Oha, denkt sich Erwin, gleiche Wellenlänge: was läuft'n da? und zitiert Einstein: Wer freiwillig eine Uniform anzöge, habe das Gehirn vom Schöpfer umsonst verliehen bekommen - für den hätte das Rückenmark gereicht.


Alle nicken gedankenvoll. Außer Miss Orange.

 

- "Dämmrung will die Flügel spreiten, schaurig rühren sich die Bäume,

    Wolken ziehn wie schwere Träume..." rezitiert Mr.White, 

    Labbie-Mix und Romantiker.

 

- „Willste ersma hierbleiben?“ zwinkert ihm Pinkie zu.


Wurde noch ein richtig gemütlicher Abend.

N' büschen Bier zum Schlabbern gabs außerdem.

Weihnachten war gesichert.

Erwin kam mit allen klar, obwohl Eddie munkelte, dass Miss Orange

für’s LKA arbeite.

Scheiß drauf.

O du mein holder Abendstern...“ flötet, spät, Erwin seiner Pinkie ins Ohr.

Aus einem der Wagen wummert gedämpft irgendwas von

den Ärzten (Claudia?)...

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Und? Bleibt Erwin bei den Punks auf dem Bauwagenplatz? Oder was

erlebt er noch in Hambuich?

Ich halte Euch auf dem Laufenden.

Versprochen.

Eure Kira




* Бляди, проклятые!


Anmerkung für Nicht-Hamburger/innen: Orange steht nicht bloß

in Tarantinos 'Reservoir Dogs' für Polizeispitzel, sondern bezieht

sich auch auf unseren lokalen Skandal der Entsendung einer

Undercover-Beamtin ins Umfeld der 'Roten Flora'. Der Innensenator

kann heute auch nicht sagen, was die damals da herauskriegen sollte.